Kurzgeschichte: Raumwechsel


Ich dachte das spielt keine Rolle.“ „Dachtest du.“ Betroffenes Schweigen. „Kennst du Georgina aus den Fünf Freunde Geschichten von Enid Blyton? So wollte ich immer sein, eine Abenteurerin.“„AbenteurerIn, jetzt sagst du es! Du hättest es mir gleich sagen müssen, aber du hast mich belogen, um mich in dich verliebt zu machen. Nun klärt sich aber doch alles auf, tut es letzlich immer.“ „Du hättest mich mit anderen Augen gesehen, hätte ich gesagt, dass ich ein Mädchen bin. Ich wollte, dass du mich kennen lernst, wie ich bin, mich, unabhängig von solch konventionellen Kategorien wie männlich oder weiblich. Und du hast dich in mich verliebt. Was ändert das jetzt, wenn du eine weitere Eigenschaft von mir kennen lernst? Denn mehr ist es nicht. Ich bin physiognomisch eben eine Frau, aber ich seh mich nicht so. Ich habe dich nicht belogen. Ich habe dir das bloß nicht gesagt.“ „Das ist doch das Gleiche.“ „Nein, ist es nicht. Aber bitte, wenn du so viel Wert auf Ehrlickeit legst…du hast doch selbst gelogen was dein Alter angeht. Du bist erst neunzehn.“ „Das Alter ist doch etwas ganz anderes. Jeder mogelt ein wenig was sein Alter angeht.“ „So? Und das ist in Ordnung, ja? Für mich selbst spielt das ebenso wenig eine Rolle. Es sagt nichts darüber aus, wie weit man im Leben und auch in Gedanken, in seiner geistigen Entwicklung gekommen ist. Das sind doch auch bloß Richtwerte, die dem Individuum von außen auferlegt werden, Du fühlst dich älter? Dann ist das okay. Das geistige Alter ist meistens anders als das physionomische und bei mir ist eben die Physiognomie bestimmter, als ich mich geistig fühle.“ „Dann lass dich doch umoperieren.“ „Du willst mich nicht verstehen, was? Abgesehen davon, dass das nicht so einfach wäre, fühle ich mich nicht „falsch“ in meinem Körper. Ich definiere mich nur eben nicht über solche Kategorien wie männlich doer weiblich. Im Geist bin ich beides und frei von beidem. Ich dachte, du magst mich so, wie ich bin, aber anscheined kannst du das nicht. Du bist hier die Mogelpackung, denn du bist im Denken wohl noch ein Kind und nicht so alt, wie du gerne wärst.“ Anne bricht in Tränen aus. Sie schluchtzt. „Ich mag dich sogar sehr, aber ich habe erwartet, dass du ein Kerl bist. Ich möchte nicht, dass wir so auseinadner gehen. Gib mir Zeit, dich im realen Leben kennen zu lernen. Wenn du geistig so reif bist, solltest du wissen, dass das reale Leben anders ist als der virtuelle Raum. Hier gibt es eben solche Konventionen und ich bin daran gewöhnt.“ Sascha legt den Arm um Anne. „Du hast Recht. Wir haben uns auch genug an den Kopf geworfen und uns gegenseitig verletzt. Ich war naiv zu glauben, dass alle mit diesem Thema so offen umgehen können, bloß weil es für mich eben kein Thema ist. Entschuldige, ich werde dir so viel Zeit geben, wie du brauchst. Frauen brauchen eben meistens länger…“ Sie zwinkert Anne zu und kassiert einen Ellenbogenhieb in die rechte Seite. „Lass und ein Eis essen gehen. Ich lad dich ein, als Gentlewoman sozusagen, oder was auch immer…“ sagt Anne schmunzelnd und nimmt Saschas Hand.

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